Instrumentalisierung

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Angst vor Gewalt und Kriminalität, Angst vor Zuwanderung, Angst vor Kürzungen staatlicher Leistungen, Angst vor dem Klimawandel, Angst vor Arbeitsplatz- und Existenzverlust, Angst vor der künstlichen Intelligenz und vor einer Unterwerfung durch intelligente Algorithmen, Angst etwas zu verpassen (FOMO) oder Angst vor der Zukunft. Die Liste der möglichen Ängste ließe sich noch um ein Vielfaches erweitern und sind für viele Österreicher und Österreicherinnen omnipräsent – glaubt man zumindest den Zahlen der neuesten Integral-Marktforschungsstudie. Dieses Institut führt seit vielen Jahren Umfragen zum Wertewandel in Österreich durch und vergleicht die gewonnenen Zahlen mit internationalen Entwicklungen.

„Was wir sehen, ist eine spezifische österreichische Ängstlichkeit,“ meint Integral Geschäftsführer Bertram Barth. „Wenn man sich das im internationalen Vergleich anschaut, bekommt man das Gefühl, man sitzt hier in Österreich in einem kleinen Land, das ringsherum von bösen Mächten umgeben ist“. Wurde im Jahr 2011 beispielsweise die Aussage „Ich suche Halt im Leben“ noch von 53% der österreichischen Bevölkerung ab 14 Jahren bejaht, so liegen wir heute bereits bei 62%. Barth warnt, dass aus dieser zunehmenden kollektiven Angst das stark ausgeprägte Gefühl resultieren kann, man kann nichts verändern. Dies könne sich auf viele Bereiche auswirken, ein verhängnisvoller Mechanismus. Da spricht wohl selber die Angst vor der Angst des Marktforschers und ein entscheidender Gedanke fehlt: Alle Ängste, die wir irgendwann irgendwie erworben haben – sei es durch Medien, beruflicher und persönlicher Alltag, politische Ansprachen oder familiäre Erlebnisse – können auch wieder bewusst verlernt werden. Wir können jederzeit etwas verändern! Indem wir uns beispielsweise bewusstmachen, dass Angst eine normale Gefühlslage ist, jedoch auch eine, die sich am ehesten instrumentalisieren lässt. Mit der Angst der Menschen zu spielen, ist ein uraltes Metier. Ängste werden über Vorbilder, Reize und Erklärungen „erlernt“. Dies kann sowohl optisch oder akustisch, also über ein Gespräch oder einen Film und sogar beim Lesen geschehen. Erich Kästner brachte es mit einem Zitat auf den Punkt: „Wenn einer keine Angst hat, hat er keine Phantasie“. Allerdings keine Angst vor der Angst haben zu wollen, kann kreativ sein und machen.

Der Beitrag erschien im Magazin NOTOBENE Nr. 3/2019 unter dem Titel “Angst”.

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