An Grenzen wachsen

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Mentales Wachstum durch die Überschreitung der eigenen Grenzen – diese Idee hat sich vor etwa 15 Jahren zu einer Massenfaszination stilisiert. Mitarbeiter*innen wurden zu Teamentwicklungs- und Motivationsseminaren geschickt, zu Feuerläufen oder Krabbelgruppen im Hochseilgarten. Als leistungsfähig, dynamisch und fortschrittlich galt es, seine Grenzen überwinden zu lernen und zu erkennen „Ich kann mehr, als ich denke“. Und heute? Heute gelten extreme Belastungen und Überforderungen als Burn-Out-Antreiber. 

Grenzen gilt es daher nicht mehr zu überschreiten. Im Gegenteil! Grenzen gilt es heute zu setzen! Fragt sich nun nur noch, welche Grenzen gemeint sind? Denn der Begriff „Grenzen“ wird mittlerweile als eine Art Dummy-Begriff und als Platzhalter oder Worthülse für alles Mögliche eingesetzt. Gemeint ist mit „Grenzen setzen“ im Grunde die Schwelle, an der Stress- und Reizüberflutung eintritt, inklusive den persönlichen Stressverstärkern und Stressbewältigungsstrategien. Wie stark die Empfindungsfähigkeit für diese Schwelle ausgeprägt ist, hängt von der Art ab, wie jeder einzelne die Welt wahrnimmt und wie die Wahrnehmungsfilter im Gehirn beschaffen sind. Die eigenen Grenzen müssen insofern nicht gesetzt werden. Es reicht aus, wenn sie wahrgenommen werden. Genau darin liegt jedoch die Schwierigkeit heute: Denn die Welt schenkt Menschen Anerkennung, die etwas leisten, die extrovertiert sind, die hart im Nehmen und mutig sind, die die Hektik und den Stress des modernen Lebens ertragen, was das Wahrnehmen der eigenen Grenzen schwierig macht.

Um Grenzen wahrnehmen zu können, benötigt man die Fähigkeit der Selbstwahrnehmung. Und zur Selbstwahrnehmung zählt wiederum die Beachtung und Akzeptanz von Gefühlen, sowohl der eigenen als auch die der anderen. Diese prägt dann entscheidend das Wahrnehmen der Grenzen und das Potential, Verantwortung für sich selber zu übernehmen. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Nur wer sich selbst und seine Grenzen wahrnimmt und achtet, achtet dann auch jene der anderen, kann extreme Belastungen und Überforderungen selbst abstellen und selbstwirksam werden. Insofern wünsche ich Ihnen für das neue Jahr das Allerbeste, freie Zeit, Entspannung und Ruhe, um an ihren Grenzen wachsen zu können! 

Der Beitrag erschien im Magazin NOTOBENE Nr. 6/2018.

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