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So viel an Stürmen war noch nie. Nach „Harvey“ kam „Irma“, gefolgt von „José“ und „Katia“, zuvor tobten „Franklin“ und „Gert“ über Land und Meere. Damit war der Durchschnitt von sechs Hurrikans pro Saison erreicht, ehe sie vorüber war. Da ließe sich annehmen, das Jahr 2017 habe den Klimawandel bekannt und verständlich gemacht. Doch weit gefehlt. Mit zunehmender Bestätigung der Daten zum Klimawandel sinkt die Anzahl der Menschen, die von der Existenz des anthropogenen Klimawandels überzeugt sind. Wie ist diese Diskrepanz zwischen objektiver Datenlage zum Klimawandel einerseits und dessen Leugnung andererseits erklärbar?

Vielleicht liegt eine Antwort darin, dass der Klimawandel und seine Folgen mehrere Generationen umfasst, mit denen wir uns nicht verbunden fühlen. Oder darin, dass ein derart komplexes Phänomen den Einzelnen überfordert. Eine an uns alle gerichtete Anforderung, Verantwortung für die ganze Erde zu übernehmen, ist für den Einzelnen nicht konkret erfassbar. Und wenn: wer schafft das schon? Diese Überforderung löst verständlicherweise Abwehr, Verleugnung, Spaltung, Projektion und Omnipotenz aus, erklärt dazu die Psychoanalytikerin Delaram Habibi-Kohlen aus Köln. Die von den Medien gezeigten Szenarien des Klimawandels und seiner Folgen würden häufig Hoffnungslosigkeit vermitteln. Sie böten kaum irgendeine Art eines möglichen Auswegs aus Natur- und Umweltkatastrophen. Das löst bei Menschen das Gefühl aus, sie selbst hätten keine Wirksamkeit und befänden sich in einer Realität, die vielleicht nicht mehr gestaltbar ist. Dieses Gefühl wirkt bedrohlich. Ist es dann hilfreich, sich eine Art Stopp des Denkens zu geben? Nach den bekannten Mottos, „Das will ich mir lieber nicht ausmalen“, „so genau will ich das gar nicht wissen“ oder „ich schalte dann mal ab“. Eine Art von Denk-Stopp, so die Psychotherapeutin Habibi-Kohlen, unterstützt uns darin, nicht an große Katastrophen oder das Risiko persönlicher Betroffenheit zu denken. 

Wir Menschen sind jedoch anders angelegt. Wir haben die Möglichkeit, trotz tatsächlicher oder weiterer Katastrophen zu denken, zu fühlen und zu gestalten. Das entspricht unserem Naturell. Es ist eine Gabe. Wir können uns zurechtlegen, wie wir zusammenleben wollen. Wie wir die Verhältnisse gestalten.

Der Beitrag erschien im Magazin NOTOBENE Nr. 6/2017.

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